Long COVID-Patient*innen entwickeln eigene Strategien im Umgang mit der Krankheit

Aufgrund der Unzufriedenheit mit der medizinischen Versorgung entwickeln Patient*innen eigene Strategien im Umgang mit ihrer Long COVID Erkrankung. Dazu gehören Energie- und Ressourcenmanagement, körperliche Aktivität, die Erweiterung von Gesundheitskompetenzen, eine Änderung der Denkweise und Lebenseinstellung, Infektionsschutz sowie die Nutzung von Hilfsmitteln und Ernährungsumstellungen. Dies fanden Forschende der Universitätskliniken Göttingen und Hannover in einer qualitativen Studie heraus.
Im Sommer 2022 berichteten 23 Long COVID-Patient*innen in vier leitfadengestützten Fokusgruppen im Rahmen des multizentrischen Forschungsprojekts „DEFEnse Against COVID-19-Study“ (DEFEAT Corona) von vielfältigen Long COVID-Symptomen. Dazu zählten Fatigue, kognitive Beschwerden, Kurzatmigkeit und psychische Belastungen sowie Beeinträchtigungen bei der Bewältigung von alltäglichen Routinetätigkeiten, Freizeitaktivitäten und der Ausübung ihres Berufes.
Es wurden durchschnittlich zwei Fachärzt*innen aufgesucht – am häufigsten Allgemeinmediziner*innen, gefolgt von Pneumolog*innen und Kardiolog*innen. 14 der 23 Betroffenen beschrieben, dass sie sich von diesen nicht ernstgenommen fühlten und die medizinische Beratung als wenig hilfreich empfanden. 15 von 23 Personen nahmen therapeutische Leistungen wie medikamentöse Behandlungen, Gruppen-, Ergo- oder Physiotherapie und stationäre Rehamaßnahmen in Anspruch. Dabei wurden sowohl positive (z.B. Physiotherapie) als auch negative Erfahrungen (z.B. Reha-Aufenthalt) gemacht.
Die hohe Unzufriedenheit mit der medizinischen Versorgung führte dazu, dass ein Großteil der Teilnehmenden eigene Strategien für den Umgang mit der Erkrankung entwickelte.
- „Pacing“-Strategien: Anpassungen im Alltag, wie eine strukturierte Tagesplanung, die Integration von Erholungsphasen oder die Nutzung von Hilfsmitteln führten zu einer Abnahme der Symptombelastung und zu besserer Lebensqualität.
- Selbstaktivierung: Sportliche Aktivitäten wie Fahrradfahren oder Schwimmen führten bei einigen Betroffene zu einer Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit und einem Rückgang einiger Symptome. Andere Teilnehmende stießen dabei jedoch an ihre Belastungsgrenze und mussten ihr Training an die jeweilige Tagesverfassung anpassen oder abbrechen.
- Anpassung der Ernährung: Einige Patient*innen betrieben Heilfasten oder verzichteten auf verschiedene Nahrungsbestandteile und erlebten in der Folge eine Verbesserung einiger Symptome (z.B. Kopfschmerzen).
- Erweiterung von Gesundheitskompetenzen: Viele Teilnehmende haben in verschiedenen Quellen nach Informationen über ihre Erkrankung gesucht – einige von ihnen erhielten Zugang zu medizinischen Untersuchungen und therapeutischen Maßnahmen.
- Änderung der Denkweise: Indem sie ihre Erkrankung akzeptierten und Erwartungen an sich selbst herunterschraubten, empfanden viele Teilnehmende weniger Druck. Auch der Fokus auf positive Aspekte der Lebenssituation half einigen Long COVID Erkrankten.
Laut des Autor*innenteams könne aus Sicht der Befragten die Integration dieser vielfältigen Strategien zur Alltagsbewältigung in die Behandlung von Long COVID dazu beitragen, die Beschwerdelast von Betroffenen zu reduzieren, ihre Alltagsfunktionalität wiederherzustellen sowie ihre Selbstwirksamkeit und Lebensqualität zu verbessern. „Konzepte wie ‚Pacing’ oder ‚Partizipative Medizin’ können als Ausgangspunkt genutzt werden, um gemeinsam mit Patient*innen individualisierte Copingstrategien und Behandlungskonzepte zu entwickeln“, schlussfolgern die Forschenden.
Zur Veröffentlichung: https://www.zefq-journal.com/article/S1865-9217(25)00089-3/fulltext
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